Vereinsgeschichte

zum 100-jährigen Jubiläum, Peter Holzer

Gründung

Der Ursprung des Mandolinenorchesters Baar geht zurück auf einige italienische Musikanten, die in Restaurants der näheren und weiteren Umgebung von Baar zum Tanz aufspielten. Im Jahre 1924 gründeten diese zusammen mit Schweizer Gleichgesinnten den Mandolinen-Club Baar. Josef Speri senior übernahm die musikalische Leitung des neu gegründeten Orchesters, welches von nun an regelmässig öffentlich auftrat. In der damaligen Form gehörten zum Instrumentarium nebst Mandolinen, Mandolen, Gitarren und einem Kontrabass auch Violinen.

Das erste Konzert fand am Sonntag, 15. Februar 1925, abends punkt 8 Uhr im Saal des Restaurants «Brauerei», Baar, statt. Wie im Programm angekündigt, bestand der Anlass schon damals aus Konzert-, Theater- und gemütlichem Unterhaltungsteil, ein Konzept, das mit wenigen Ausnahmen, bis zum 60-jährigen Jubiläum Bestand haben sollte. Auch die Tombola, bei welcher Besucherinnen und Besucher in den Pausen ihr Glück versuchen konnten, findet hier erstmals Erwähnung. Sie hielt sich über Jahrzehnte und spülte jeweils einige Franken in die Vereinskasse. Nebenbei sei bemerkt, dass die Rückseite des vorliegenden Programms von 1925 offenbar auch zur Berechnung der Einnahmen diente.

Der Mandolinen-Club Baar war, wie im entsprechenden Programm erwähnt, sicher ab 1934 Mitglied im Schweizerischen Mandolinisten- und Gitarristen-Bund (SMOB), der später Schweizerischer Mandolinen-Orchester-Verband (SMOV) bzw. Schweizerischer Mandolinen- und Gitarren-Orchester Verband (SMGOV) hiess. 1943 fand in Baar sogar eine Delegiertenversammlung des Verbandes statt, verbunden mit einer Konzertveranstaltung. Nach langjähriger Verbandsmitgliedschaft führten Differenzen mit der Verbandsleitung 1990 zum Austritt. Erst an der Generalversammlung vom 30. Januar 2023 beschloss das Mandolinenorchester Baar den Wiedereintritt in den Verband, der sich heute Zupfmusik-Verband Schweiz (ZVS) nennt.

Schon 1943 äusserte sich der Verband im Programm zu der in Baar stattfindenden Delegiertenversammlung kritisch zur Spieltechnik des Tremolo (Zitat: «Heute sind uns die wiederentdeckten deutschen klassischen Mandolinenkompositionen ein starker Halt und Fingerzeig für die musikalisch und klanglich korrekte Verwendung des Instrumentes.») und der Auswahl von Kompositionen (Zitat: «Die Zeit der Salonvolksmusik um 1900 brachte der Mandoline die meisten Feinde. Viele Vereine machten den Fehler, die damals in Massenauflagen erschienene Kitschmusik als zum Instrument gehörig zu betrachten; verstiegen sich auch etwa bis zu Lohengrin-Aufführungen und zu vielhundertköpfigen Sinfonieorchesterimitationen.»).

Etwa ab den 1960-er Jahren unternahm der Verband Anstrengungen, die gezupfte Mandolinenmusik zu fördern. Das Tremolo, das in einigen Orchestern vorherrschte, wurde zunehmend belächelt. Man begann, zwischen «Zupfern» und «Rafflern» zu unterscheiden.

1988 wurde Erich Flury als Verbandspräsident gewählt. Das Mandolinenorchester «Estudiantina» Solothurn, das Erich Flury dirigierte, gehörte zu den «Rafflern». Dies war wohl mit ein Grund, dass Erich Flury 1990 als Verbandspräsident etwas unschön des Amtes enthoben wurde. Aus Protest und Solidarität entschieden sich damals einige «Raffler-Orchester» zum Verbandsaustritt.

 

Beachtliche Erfolge

Der Besucherandrang zum ersten Konzert war wohl schon so erfreulich, dass bereits ab 1926 sowohl eine Nachmittags- als auch eine Abendaufführung auf dem Programm standen. Der Erfolg wirkte sich auch auf den Eintrittspreis aus. Betrug dieser im Vorjahr noch Fr. 1.- im Vorverkauf und Fr. 1.20 an der Abendkasse wurde er 1926 um 20 respektive 30 Rappen erhöht, was gegenüber dem Vorjahr eine für diese Zeit doch beachtliche Steigerung von 20% beziehungsweise 25% bedeutete.

Die Anlässe der ersten Jahre gelangten im Restaurant «Brauerei» Baar und im Hotel «Bahnhof» zur Aufführung. Von 1934 bis 1950 trat das Mandolinenorchester jeweils im Hotel «Lindenhof» auf. Nachher ist in den Programmen jeweils der alte Schulhaussaal, wohl im «alten» Schulhaus Marktgasse, als Auftrittsort angegeben. Ab 1958 fanden die Konzert- und Unterhaltungsabende des Mandolinenorchesters Baar mit wenigen Ausnahmen im Gemeindesaal an der Marktgasse in Baar statt.

Wegen der Renovation des Gemeindesaales fand 1987 das Jahreskonzert in der Sehbehindertenschule Baar statt.

Zunehmender Besucherschwund war Anlass, den Konzertabend von 2006 bis 2013 in der Aula des Schulhauses Sternmatt durchzuführen. Das Konzert zum 90-jährigen Jubiläum im Jahr 2014 sowie die folgenden gelangten wieder im Gemeindesaal Baar zur Aufführung.

Schon früh werden in den Programmen zur gemütlichen Unterhaltung das Orchester «Splendid» und Kapellen wie etwa «Zugerbuebe», «Alpina», «Argentina» oder «Melodia» angekündigt. Offenbar spielten diese nach dem Konzert- und Theaterteil zum Tanz auf. Wie aus den überlieferten Programmen ersichtlich, wirkten später an den Anlässen auch Gastgruppen mit; von 1937 bis 1944 der Handharmonikaklub Baar unter der Leitung von Dieter Schmitz, das Akkordeon-Duett Caprani-Schmitz, die Chromatische Gruppe Zug und der Jugendspielring Baar.

Wie aus den Programmen nach 1946 ersichtlich ist, traten in den folgenden Jahren nach und nach verschiedene weitere oder andere Namen und Gruppen in Erscheinung; Mundharmonika-Sextett «Famosa», Hansi Speri, Gitarren-Quartett, Geschwister Fischer, «Hawai», Gebrüder Speri, Beppi und Gino, «Texas Boys» und «Mandolinos», um hier nur einige zu nennen.

… entstanden 1958 Jahren aus dem Mandolinenorchester Baar. Anlässlich der grossen Unterhaltungsabenden spielten Paul Fischer, Hans Dossenbach, Beppi Speri und Xaver Dossenbach im bunten Teil leichte Unterhaltungs- und Volksmusik. Gelegentliche Auftritte an diversen Anlässen, in Radio- und Fernsehsendungen sowie die Teilnahme an Ländlermusiktreffen des Verbandes Schweizerischer Volksmusik gehörten in dieser Zeit auch dazu. 1984 gaben sie unter dem Titel «Leicht und heiter mit den Mandolinos Baar» eine eigene Schallplatte heraus. Die «Mandolinos» existierten in der genannten Besetzung über 40 Jahre lang.

 

Dass das Mandolinenorchester Baar 2024 auf eine 100-jährige Vereinsgeschichte zurückblicken kann, ist ein wesentlicher Verdienst von Josef (Beppi) Speri junior, der l965 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters am Dirigentenpult angetreten hat. Bis Mitte der achtziger Jahre gehörten dank ihm und seinen beiden Brüdern Emilio und Hans nebst den Orchesterauftritten auch legendäre Theaterschwänke sowie Showblocks mit Sketches, Schlagern und gefälligen Instrumentaldarbietungen zu den Höhepunkten der jährlichen Konzert- und Unterhaltungsabende.

... übernahm 1965 die Nachfolge seines verstorbenen Vaters am Dirigentenpult. Beppi dirigierte nicht nur dreissig Jahre lang das Orchester. Er besetzte im Theater erfolgreich auf ihn zugeschnittene Hauptrollen und trat im dritten Programmteil als Gitarrist, Sänger und Darsteller in Sketches auf.

 

... führte in den Theateraufführungen, in welchen er meistens auch Hauptrollen übernahm, Regie. Als Conférancier führte Emilio jeweils auch durch den dritten Programmteil. Unvergesslich sind auch seine Auftritte bei den Sketches und den gespielten Witzen.

 

... der stille Schaffer im Hintergrund trat als Sänger, solo oder mit Beppi im Duett, auf. Er war auch der geniale Texter, wie die Slogans in den Konzertprogrammen beweisen. Leider sind seine Liedtexte, Gedichte und Ansprachen als Samichlaus nicht mehr erhalten.

 

Blütezeit

Gerne erinnern wir uns an die dreiteiligen Unterhaltungsabende mit Konzert, Theater und Show, welche das Baarer Kulturleben bereicherten und unbestrittene Höhepunkte in unserem Vereinsleben darstellten. In dieser Blütezeit kannte das Mandolinenorchester noch keine Nachwuchssorgen. Am 60-jährigen Jubiläum, welches im Jahr 1984 gefeiert werden konnte, zählte das Orchester gemäss Zeitungsartikel im Zugerbieter 44 Mitglieder. Auf dem entsprechenden Vereinsfoto sind 41 Aktive abgebildet. Stehend in der hinteren Reihe befinden sich Theaterschauspieler aus den eigenen Reihen.

Die Aufführungen des Mandolinenorchesters Baar waren so bekannt und von Erfolg gekrönt, dass sich der Gemeindesaal an drei Abenden jeweils zum Bersten füllte. Vielfach mussten auch interessierte Gäste abgewiesen werden. Am Samstagnachmittag fand jeweils – sozusagen als Hauptprobe – eine Kinderaufführung statt, welche auch immer sehr gut besucht war. Der Konzertteil beschränkte sich damals allerdings auf den Auftritt des Jugendmandolinenorchesters.

Das Mandolinenorchester Baar und sein Jugendorchester eröffneten jeweils den traditionellen Vereinsabend. Auf dem Programm standen Märsche, Walzer, Tangos, Serenaden, Potpourris etc. sowie für Mandolinenorchester arrangierte Ouvertüren und Melodien aus Opern und Operetten. Das Repertoire, abwechslungsreiche und gefällige Melodien, orientierte sich sozusagen am Geschmack des Publikums. Der Applaus bewies die Richtigkeit dieses Konzepts.

… nebenstehend sämtliche erhaltenen Konzertprogramme. In diesen sind die Konzertstücke, Titel der aufgeführten Theaterstücke, Hinweise zum dritten Teil sowie Mitwirkende oder Gastgruppen aufgeführt. Angaben zu Mitwirkenden oder Gastgruppen sowie die in den Programmen integrierten Werbeinserate fehlen. Diese würden den Rahmen der Darstellung sprengen.

 

Im zweiten Teil stellten talentierte Laienschauspieler, vorwiegend aus den Reihen der Familien Speri und des Orchesters, in turbulenten und witzigen Theateraufführungen ihr Können unter Beweis. Die humoristischen Szenen rissen das Publikum zu wahren Lachstürmen hin und liessen die Zuschauer die Sorgen des Alltags vergessen. Szenenapplaus und tosender Schlussapplaus waren Belohnung für die jeweils grossartige und mitreissende theatralische Leistung der Schauspieler.

Im dritten Teil, als Showblock produziert, konnte das Publikum aktuelle Schlager, vergangene Hits, Sketches und Witze am laufenden Band geniessen. Mitglieder des Vereins profilierten sich in Gesangs- oder Instrumentaldarbietungen als Solistinnen oder Solisten. Hit auf Hit folgten in diesem Teil durchmischt mit Witzen eines Conféranciers, der durch die Show führte. Das Tüpfelchen auf dem i bildeten dabei die aufwändig gestalteten Kulissen, entworfen und zusammengebaut von den Gebrüdern Speri, bemalt von Malermeister Paul Fischer.

Veränderungen

Der Boom der Unterhaltungs- und Freizeitindustrie einerseits sowie der zunehmende Mitglieder- und Besucherschwund andererseits führten mit der Zeit zu Veränderungen. Vorerst verzichtete das Mandolinenorchester auf den Showblock. Dieser war zum 60-jährigen Vereinsjubiläum am 27. Oktober 1984 das letzte Mal Bestandteil unseres Vereinsanlasses.

Aufgrund schwindender Besucherzahlen reduzierte der Verein den Anlass 1991 auf zwei Abende, jedoch immer noch mit Konzert- und Theaterteil. Der letzte Vereinsanlass in dieser Form fand 1996 statt, da die Theatergruppe die Mitwirkung aufgrund von Doppelbelastung aufkündigte. 1988 kam es nämlich zur Gründung der Volksbühne Baar, an welcher die Theatergruppe des Mandolinenorchesters massgeblich beteiligt war.

… für die Verdienste im Bereich Volksmusik und Volkstheater zeichnete der Gemeinderat Baar 1999 alle Mitglieder der Familien Speri mit dem Baarer Kulturpreis aus.

 

Seither beschränkt sich der Jahresanlass des Mandolinenorchesters Baar auf einen reinen Konzertabend. Anfänglich, nämlich 1997 und 1998, war dieser noch in zwei Teile gegliedert. Den ersten Teil bildete der konzertante Auftritt des Orchesters. In einem zweiten Teil kamen Vorträge verschiedener Stilrichtungen von Instrumentalgruppen, gebildet aus den eigenen Reihen, zur Aufführung.

Seit 1999 treten andere Vereine, Gruppen oder Solisten an unseren Anlässen als Gäste auf und bereichern damit das Programm. Der Konzertabend, der ab 2003 aufgrund der Veränderungen nur noch einmal pro Jahr im Gemeindesaal in Baar stattfindet, sowie die Ständchen in Betagtenheimen und Seniorenzentren sind Tradition geblieben. Gelegentlich tritt das Orchester auch bei Gottesdiensten und an Firmen- oder Vereinsanlässen auf.

Dirigenten

Nach der Vereinsgründung von 1924 leitete Josef Speri senior das Mandolinenorchester Baar bis zu seinem Tod im Jahre 1965. Sein Sohn Josef Speri junior übernahm nun diese Stelle und dirigierte das Orchester während etwas mehr als 30 Jahren. 1995 löste Peter Holzer als dritter musikalischer Leiter in der Geschichte des Mandolinenorchesters Baar Josef Speri junior am Dirigentenpult ab. Ende Oktober 2012 setzte sich Peter Holzer wieder in die Reihen der Mitspieler. Danach übernahm bis 2015 Tatjana Osipova, eine hervorragende Musikerin und Dirigentin, die Leitung unseres Orchesters. Von 2016 bis 2021 dirigierte Pavel Pozdnyakov, ein junger dynamischer Gitarrist das Mandolinenorchester Baar. Seit Frühling 2022 steht das Orchester, welches aktuell 16 Aktivmitglieder zählt, unter der Leitung von Melina Murray. Sie spielt Violine und Mandoline und promovierte als Master in Musikpädagogik sowie Master Konzert.

Präsidenten, Präsidentinnen

1924 - 1926          Hans Canal

1926 - 1930          ?

1930 - 1935          Gertrud Suter

1935 - 1937          ?

1937 - 1942          Hans Canal

1942 - 1945          Gerhard Otth

1945 - 1949          ?

1949 - 1950          Josef Speri sen.

1950 - 1953          Hans Canal

1953 - 1956          Maria Jost

1956 - 1973           Josef Speri jun.

1973 - 1993           Peter Holzer

1993 - 2000          Irene Blaser

2000 - 2023          Agnes Gantenbein

2023 -                     Luzia Wanner/Caterina Bernich (Co-Leitung)

Nachwuchs

An Nachwuchs schien es beim Mandolinenorchester Baar nicht zu mangeln, ist doch die Mitwirkung des Jugend-Mandolinenorchesters Baar bis 1989 – erstmals schon 1946 – im Programm erwähnt. Es nahm zwei Mal an einem Jugendmusiktreffen des SMOV teil; 1957 im Konservatorium Zürich und 1960 im Gemeindesaal Baar. Das Jugendorchester war Bestandteil des Vereins. 1982 übernahm die Musikschule Baar die Verantwortung.

Mit der Anstellung der ersten professionellen Lehrperson für Mandoline an der Musikschule Baar traten Jugendliche, die sich für Mandoline interessierten, im Rahmen interner Konzerte der Musikschule auf. Das Mandolinenorchester Baar konnte aus diesen Reihen bis heute nur zwei ehemalige Mandolinenschülerinnen für eine Mitgliedschaft gewinnen.

Geselligkeit

Gemäss Vereinsstatuten sollte auch die Geselligkeit im Verein nicht zu kurz kommen. Zur Förderung des Kontakts unter den Mitgliedern fanden abwechslungsweise Reisen, Picknicks, Spanferkelbraten und Nachtessen sowie Chlausabende statt. Offenbar waren diese Anlässe derart auf Kulinarik ausgerichtet, dass Hansi Speri bereits im Jahr 1969 an der Generalversammlung vorschlug, den Vereinsnamen MOB (Mandolinenorchester Baar) auf FOB (Fressorchester Baar) zu ändern.

Einige Male war das Orchester auch mit den Instrumenten unterwegs und gab Konzerte, in Aigle, Solothurn, Saas-Fee, Bergün und Saignelégier. Eine spezielle Beziehung entstand mit dem Mandolinenorchester Rudolstadt in Thüringen. 2004 nahm das Mandolinenorchester Baar in Rudolstadt erstmals an einem internationalen Zupfmusikfestival teil, 2007 dann mit einer Kleingruppe und 2013 nochmals mit dem ganzen Orchester.

Vereinsreisen und gemeinsame Zusammenkünfte standen dann in den letzten Jahren immer seltener auf dem Jahresprogramm. Regelmässig im Terminkalender vermerkt ist heute lediglich noch das traditionelle Vereinsnachtessen. Als Highlight für das 100-jährige Vereinsjubiläum besuchte der grösste Teil des Orchesters vom 1. bis 5. Mai 2024 Venedig und verband diese Reise mit der Teilnahme am «Venice Mandoline Festival».
Nebenstehend einige Eindrücke dieser Reise, fotografiert von Andreas Rumsch.